Wie dm Kunden in die Verantwortung einbezieht

Wie dm Kunden in die Verantwortung einbezieht

Ein weiteres Beispiel, das augenscheinlich zeigt, wie sich bereits vorhandene Strukturen nutzen lassen, um Geld- und Warenströme zu lenken und erahnen lässt, welche Möglichkeiten einzelne Kunden durch ihre Einkäufe haben, zeigt ein aktuelles Beispiel von dm im Spätsommer 2015. Zu dieser Zeit waren die prekären Verhältnisse, unter denen Flüchtlinge aus Syrien und anderen Krisenregionen in österreichischen Erstunterkünften untergebracht wurden, täglich in den Medien zu sehen. Selbst die New York Times berichtete über den verheerenden Bericht von Amnesty International über die unzureichende Versorgung und Unterbringung der oft von der langen Flucht total erschöpften und traumatisierten Frauen, Kinder und Männer, die dringend Hilfe benötigten.

Als Reaktion darauf traf die Drogeriekette dm eine mutige Entscheidung und übernahm damit Verantwortung. Kunden erhielten in allen österreichischen Filialen die Möglichkeit, so genannte Willkommenspakete zu kaufen. Darin enthalten waren Produkte wie Windeln für Kinder, Zahnpasta, Binden und andere Hygieneartikel, die in den Unterkünften dringend benötigt wurden. dm machte dabei keine Gewinne, sondern gab die Produkte zum Einkaufspreis weiter. Außerdem stellte der Konzern seine logistische Infrastruktur zur Verfügung und übernahm Transport-Abwicklung für die Spenderinnen und Spender und stellte die Hilfsartikel in die Flüchtlingsunterbringungen zu.

Interessanterweise fiel selbst die Reaktion derer, die eigentlich Hilfe für Flüchtlinge befürworteten, nicht nur positiv aus. In den Sozialen Medien etwa wurde dem Unternehmen vorgeworfen, lieber die Kunden bezahlen zu lassen als sich selbst in die Pflicht zu nehmen und einen Teil des Umsatzes zu spenden. Dabei wird womöglich aber vergessen, dass dm auch für die Logistikkosten und die Koordination aufgekommen ist. Nicht zu vergessen den Aufwand, den es mit sich bringt, diese vielleicht für das Image positive, aber nicht direkt gewinnbringende Sparte freiwillig aufzumachen und konsequent in allen Filialen zu betreiben. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es in derart großen Strukturen sein kann, solch außertourliche Vorhaben intern durchzubringen und bin außerdem der Meinung, dass der Zweck die Mittel heiligt und jede noch so kleine Hilfe zählt. Nahezu egal, wie sie zustande kommt. Gleichzeitig wurde durch Aufsteller in den Filialen auf das Thema landesweit aufmerksam gemacht, wie es wohl kaum durch eine still ablaufende Geldspende seitens des Konzerns möglich gewesen wäre.

Was ich aber am wichtigsten finde ist, dass dm mit dieser Aktion seine Kunden nicht passiv teilhaben hat lassen, sondern sie als mündige Kunden und Bürger ernst genommen hat und ihnen selbst die Entscheidung überlassen hat, ob sie ein Willkommenspaket spenden wollten oder nicht.

Ich bin überzeugt, dass es außerdem viele Menschen gibt, die gerne Hilfe für Flüchtlinge leisten wollten, aber deren Alltag ihnen einfach kaum Zeit oder Möglichkeit ließ, um Abgabestellen oder andere Hilfeeinrichtungen aufzusuchen. Das Spenden an der Kasse in flächendeckend vorhandenen Drogeriefilialen hingegen ist eine sehr niederschwellige und unkomplizierte Art und Weise, einen Beitrag zu leisten. Hier hat ein großes Unternehmen erkannt, dass es seine bereits vorhandenen Strukturen nutzen kann, um etwas zu bewegen. Doch ohne die Kunden, die diese Möglichkeit auch tatsächlich in Anspruch genommen haben, wäre das Vorhaben im Sand versiegt. Somit liegt die Macht zum Tun immer auch auf Kundenseite.

 

Bildquelle: dm/Neumayr

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